Die Entscheidung zur Berliner Straße ist gefallen

Und was ist mit Klimawandel und Aufenthaltsqualität? Und was passiert mit dem Bahnhof?

Im Stadtverordneten-Kollegium haben SPD, CDU und FDP heut die Mittel für die Planung der vor drei Jahren beschlossenen Berliner Straße entschieden. Damit wurde dem finalen Abriss der beiden Gebäude Berliner Straße 18 und 20 final zugestimmt. Die Verwaltung wird sich nun um den Abriss dieser Gebäude kümmern und eine überdimensionierte Straße weiter planen. Damit entfernt sich Elmshorn immer weiter von den Zielen des Stadtumbaus und berücksichtigt nicht, dass die Verlegung des Bahnhofs auch eine Neuplanung der Mobilität in diesem Bereich erfordert. „Sonst wird das Rathaus nicht fertig.“ und „Der LBV wollte das so. Wir bekommen sonst keine Genehmigung für die Gegenläufigkeit“ sind für uns keine ausschlaggebende Argumente gewesen, diesem Beschluss zuzustimmen. Aber die Mehrheit von SPD, CDU und FDP haben gegen die Stimmen von Linker und uns Grünen die Mittel freigegeben und damit die Verwaltung beauftragt die Maßnahme endgültig durchzuführen. Wir sind klar dagegen aus mehreren Gründen, die wir im folgenden Artikel aufzeigen wollen. Wir möchten aber mit einer kleinen Geschichte beginnen.

Eine Geschichte wurde damit Realität …

Wie jeden Abend kam Herr Marquard (es könnte auch Frau Müller oder Herr Meier sein) mit dem Zug aus Hamburg nach Elmshorn. Er stieg am neuen Bahnhof aus und nutzte die Rampe um in den Tunnel, der zum Ausgang führt zu kommen. Am Ausgang sah er die neugestaltete Stadt um den Buttermarkt.

Er querte die Berliner Straße, die seit kurzem nur von den Bussen des Stadtverkehrs befahren wird und lief den mit Fischgrätenmuster gepflasterten Hang entlang des neuen Marktes hoch. Zunehmend erschloss er das Sichtfeld um den neuen Buttermarkt mit der Markthalle im Mittelpunkt. Er sah das Rathaus und konnte bis zum Hafen blicken. Links daneben saßen die Menschen auf der Außenfläche des Hotelrestaurants mit eigener Brauerei und hielten ihren Plausch bei einem Feierabendbier oder einem Glas Wein. Wenige Meter weiter hörte man ein „Unplugged Konzert“ aus dem großzügig gestalteten Garten des Kranhauses.

Die Menschen aus dem Quartier und anderen Bereichen der Stadt genossen den lauen Sommerabend. Die Kinder spielten unter den Bäumen des grünen Bandes. Sie wohnten in den dahinterliegenden Häusern, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Plötzlich erschrak Herr Marquardt. Es hupt und dröhnt. Die vielen Autos des Berufsverkehrs stehen mal wieder im Stau. Er ist erwacht aus seinem Sekundentraum. Die Kreuzungen Holstenstraße und Schulstraße halten wieder einmal den ganzen Verkehr auf. Die Stadtbusse können zur wichtigsten Tageszeit erneut nicht ihren Fahrplan einhalten. Dabei wollen alle nur schnell in die Außenbezirke und im Grünen auf ihrer Terrasse den Feierabend genießen. Nach 20 Uhr ist die Stadt leer.

Gute Eingangssituation am Bahnhof ist uns wichtig

Der Bahnhof ist das wichtigste Projekt unserer Stadt. Wir sollten uns, durch eine mit anderen Prämissen durchgeführte Planung, die bestmögliche Gestaltung des Ausgangs zum Buttermarkt nicht verbauen. Folgende Aspekte sind uns dabei besonders wichtig:

  • Der Ausgang sollte sich in die Stadt öffnen und einen barrierefreien Weg zum neuen Markt ermöglichen, ohne Treppen und Aufzüge. Vielleicht sind Teile des neuen Markts dafür schon in Form einer auffächernden Rampe hin zum neuen Markt zu gestalten. Gut möglich, dass es sich in diesem Fall anbietet, die Berliner Straße tiefer zu legen. Dies ist unter Umständen auch dann geboten, wenn eine Unterführung zu einem möglichen ZOB auf der anderen Seite der Bahnschienen realisiert werden soll.
  • Wir wollen einen Busbahnhof, der zügiges umsteigen innerhalb des Stadtverkehrs ermöglicht und ebenso ein guter Umstiegspunkt für die vielen Pendler*innen vom Stadtrand und dem Umland bietet. Wir wollen dass der ZOB zügig von den Fahrzeugen erreicht werden kann und damit einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr schaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dort in Zukunft nur E-Busse mit entsprechenden Aufbauten verkehren werden.
  • Wir wollen die Planung der Bahn mit berücksichtigen. Eine nicht einbeziehende Betrachtung führt zu einer schlechten Bahnhofseingangssituation – und die kennen wir sehr genau – dazu reicht der Blick an den bisherigen Standort. Wir sehen hier doppelte Planungs- und Baukosten auf uns zukommen – und wir werden später, wenn es beim Bahnhof konkret wird mit schlechten Kompromissen leben müssen.

Dem Klimawandel zu entgegen bedeutet die Verkehrswende konsequent durchzuführen

der Bahnhof ist nicht das einzige Argument, denn die hier vorgestellte Planung hat die Grüne Fraktion auch schon vor drei Jahren abgelehnt. Und die Lage hat sich sogar noch verschärft.

Dafür reicht der Blick auf die Homepage des Umweltbundesamts. Laut Umweltbundesamt wird Deutschland die Ziele des Klimaschutzgesetz im Jahr 2030 im Sektor Verkehr deutlich verfehlen. Die Lücke beträgt laut einer Prognose von 2021 – 42 Mio. t CO2-Äquivalenten (Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/klimaschutz-im-verkehr#ziele).

Der Sektor Verkehr ist ein wichtiger Baustein bei der Erreichung der Klimaziele in Bund und auch in unserer Stadt.

Die Zeit beim Klimaschutz drängt, das wissen wir alle. Und am Beispiel der Berliner Straße zeigt sich doch das Problem. Seit 50 Jahren wird über Klimaschutz geredet. Und wenn dann zukunftsgewandte Entscheidungen anstehen, eine davon ist – wie organisieren wir Mobilität in Zukunft in unserer Innenstadt – , dann fallen die Entscheidungen gegen den Klimaschutz. Es wird weiterhin das Mantra des fließenden Verkehrs gepredigt. Alles andere muss sich diesem Mantra unterordnen.

Erreichen wird man damit aber das Gegenteil, den breit ausgebaute Straßen ziehen immer individuellen Verkehr mit sich. Irgendwann wird der Verkehr auch bei einer breiteren Straße in den Hauptzeiten kollabieren. Einhergehend ist diese Planung mit deutlichen Einschränkungen für Fußgänger*innen und Radfahrer*inne sowie den Anwohner*innen verbunden. Lebens- und Aufenthaltsqualität stellt sich so nicht ein.

Zukünftige Gestaltungspläne für eine gute Stadtentwicklung nutzen

Das aktuelle Verkehrsrecht schränkt die Gestaltungsspielräume der Kommunen ein und steht dem so wichtigen Ziel des Klimaschutzes entgegen. Immer noch folgt es dem Credo die Leichtigkeit und Sicherheit, vor allem des individualen motorisierten Verkehrs eine sehr starke Priorisierung einzuräumen.

Andere Ziele wie der Klimaschutz werden nicht berücksichtigt. Die Ampelkoalition hat sich darauf verständigt, im Verkehrswegeplan sicher zu stellen, dass die Belange des Klimaschutzes bei Infrastrukturen eine stärkere Berücksichtigung bekommen. Ist es da nicht abzuwarten, bis sich schon bald eine bessere Option für unsere Stadt ergibt?

Wir fordern die Verlegung der Bundesstraße zur Hafenspange

Elmshorn muss dringend die alten Pläne der Verkehrsplanung von 1994 umsetzen. Leider konnte der Baustadtrat, Lars Bredemeier, diesbezüglich seine unserer Fraktion gegenüber geäußerten Versprechen sich energisch gegenüber übergeordneten Behörden einzusetzen nicht einlösen. Auf die Einlösung anderer Versprechen, zum Beispiel Elmshorn zur Fahrradstadt zu machen ist er ebenfalls bislang nicht nachgekommen. Wir erwarten hier einen dringenden Kurswechsel seiner Politik.

Die Hafenspange wurde gebaut, damit die Bundesstraße in Zukunft nicht mitten durch die Stadt läuft. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg – aber scheinbar fehlt es am Willen dieses gut geplante Projekt endlich auch umzusetzen. 1994 bestand in Elmshorn der Plan die Berliner Straße zur Kommunaltrasse umzuwandeln. Im Verkehrsplan von 1994 wurde eine Sperrung der „Holstenstraße“ für den motorisierten Individual-Verkehr angedacht (Quelle Verkehrsentwicklungsplan von 1994, S. 66 ff.). Sie sollte nur für den ÖPNV genutzt werden. Die WGE hat damals vor allem deswegen dem Bau der Hafenspange zugestimmt.

Der Ausbau der Berliner Straße zementiert eine Bundesstraße, die mitten durch die Stadt führt. Er berücksichtigt nicht die dadurch entstehenden Folgeverkehre in der Holsten- und Schulstraße – Bereiche, die ohnehin schon stark von Lärm- und Schadstoffemissionen betroffen sind. An den Kreuzungspunkten wird dies zu noch stärkeren Staus und Behinderungen führen, wovon auch der öffentliche Personennahverkehr stark beeinträchtigt wird.

Parkplätze mit Grünem Label

Entlang der Berliner Straße soll ein breites Parkplatzband gebaut werden. Dabei würde ein Parkhaus direkt am Rand, gebaut in Modulform, viel mehr Sinn machen. Die Planung verschenkt wertvollen Raum, der eigentlich der Aufenhaltsqualität dient und Menschen Fläche für Begegnungen bieten sollte. Stattdessen entsteht entlang der gesamten Berliner Straße ein großer Parkplatz. Bäume sollen diesen in Form eines grünen Bands erscheinen lassen.

Wir wollen, dass dieser Raum für Begegnungen, zum Spielen oder auch für kulturelle Veranstaltungen durch die im Quartier lebenden Menschen genutzt werden soll. Eine unfassbare Verschwendung von wertvoller und hochwertiger Fläche stellt dies dar. Wir stellen uns die Frage, ob die viel zu großzügig geplanten Stellplätze entlang der Berliner Straße überhaupt an allen Stellen genutzt werden.

Wir begrüßen, dass viele Bäume im Bereich Berliner Straße gepflanzt werden. Wir unterstützen das Prinzip der Schwammstadt. Aber die Pflanzung ist auch möglich bei einer kleineren Straße. Das grüne „Parkband“ sollte funktional betrachtet werden und auch Aufenthaltsflächen für die Anwohner*innen oder kulturelle Veranstaltungen beinhalten.

Das Märchen der Umsatzeinbuße für Geschäftsleute

Im Grunde werden die Parkplätze nur gebaut, um die Geschäftsleute zu beruhigen. Denn immer wieder finden beim Thema „Verkehrsfreie Innenstadt“ Töne statt, wie „dann stirbt die Stadt“, „dann verlieren wir unsere Umsätze“. Das Gegenteil ist der Fall, vor allem dann wenn die Angebote für Radfahrende und den ÖPNV gut ausgebaut sind.

Der VDV Ost hat sich dazu folgende Frage gestellt, nämlich ob der Umweltverbund die Kassen der Einzelhändler häufiger klingeln lassen würde. Bei der Erhebung wurde festgestellt, dass 80 Prozent des Umsatzes von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen, von Bus- und Bahnnutzer*innen stammt. Eben nicht von Autofahrer*innen.

Doch was sind die Ursachen. Menschen ohne Auto verfügen über mehr finanzielle Mittel, denn bei ihnen entfällt die Unterhaltung des eigenen Automobils. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen passieren die Geschäfte häufiger und langsamer. Das führt auch zu einer häufigeren Kaufentscheidung. Autofahrer*innen fahren gezielt und punktuell in die Stadt. Sie generieren dabei zwar dann auch einen großen Umsatz, der beträgt in Summe nur 1/5 der gesamten Ausgaben von Nicht-Autofahrer*innen. Das Ergebnis der Studie ist doch erstaunlich, oder? (Quelle https://www.vdv.de/vdv-positionen-lang-januar-2017-rz-klein.pdfx)

Deutlich überdimensionierte Straße und viel zu viel Flächenverbrauch

Die gesamte Straßenanlage wird doppelt so breit sein. Alleine für die 2 Abbiegespuren in die Hamburger Straße muss das Haus Berliner Straße 20 abgerissen werden. Es gehört der Stadt und wäre ein guter Ort für ein zentrales Jugendzentrum oder ein praktisches Haus der Vielfalt.

Fußgänger*innen und Radfahrer*innen haben das nachsehen. Sie können die viel zu große Straße nur an bestimmten Punkten queren. Vermutlich ist bei der Dimension mit den vielen Abbiegespuren, die als Multifunktionsfläche, verkauft worden sind, am zukünftigen Bahnhof auch noch eine Ampel zu errichten. Wo dann noch Platz für einen ZOB sein soll ist völlig unklar – und es scheint zu sein, dass man hier auch nur an Notlösungen arbeitet, die kaum besser sind, als die bisherige Anbindunng.

Der Flächenverbrauch führt auch dazu, dass geplante Gebäude, wie z. B. der Hafentower oder ein genossenschaftliches Wohnprojekt nicht realisiert werden können. Stattdessen entsteht an der Ecke Berliner Straße, Hamburger Straße, Reichenstraße, Ansgarstraße eine Monsterkreuzung, die sicherlich keine Vorteile für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen mit sich bringen wird.

Alte Gebäude erhalten und Geschichte bewahren

Wir wollen, wie vom ursprünglichen Rahmenplan die alten Gebäude, Berliner Straße 18 und 20 erhalten. Das Gebäude Nummer 20 erinnert und mit seinem Tor an die vielen Zwangsarbeiter, die während des Nazi-Regimes auch nach Elmshorn verschleppt worden sind und das Gebäude 18 könnte ein sehr guter Ort für kulturelle Begegnungen sein. Zugleich sind beide Gebäude, neben den Knechtschen Hallen, wichtige und wertvolle Zeugen der industriellen Vergangenheit unserer Stadt. Sie werden geopfert für eine Straße, die so in einigen Jahren nicht gebraucht wird.

Geplante Bauprojekte können auch ohne die Berliner Straße realisiert werden

Für die anstehenden Bauprojekte können Erschließungen über den Bereich des Grünen Bandes ermöglicht werden, z. B. über eine Zufahrt von der Schauenburger Straße. Die Berliner Straße hingegen wollen wir lieber einhergehend mit der Planung des neuen Bahnhofs und ganzheitlich in Bezug zu den zukünftig notwendigen Bedürfnissen planen. 1994 ist die Stadt diesbezüglich schon einmal viel weiter gewesen.

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